Die Entwicklung des Tourismus

Von der Sommerfrische zum Fremdenverkehr

Wann der erste Fremdenverkehr in Niedersfeld einsetzte, kann heute nicht mehr genau nachvollzogen werden, lässt sich nur abschätzen, zumal es Fremdenverkehr und Touristik im jetzigen Sinn früher nicht gab. Allenfalls gingen Betuchtere im letzten Jahrhundert auf Reisen oder in die „Sommerfrische“. 

Der Wintersport dagegen hat um die Jahrhundertwende im Raum Winterberg eingesetzt. So wird berichtet, dass schon 1897 je ein zugezogener Revierförster und Jagdaufseher das Skilaufen in Mollseifen betrieben hätten und in Altastenberg soll der bis 1904 dort wirkende Pfarrer Bender das Skilaufen eingeführt haben mit „Skibrettern“ aus dem Schwarzwald. 
1817 wurde in Niederfeld die erste Briefsammelstelle im Hause Hankeln (später Gasthof Alte Post) errichtet, die 1835 in eine Postexpedition umgewandelt wurde.
Da auch Postkutschen von Arnsberg über Niedersfeld nach Gießen verkehrten, beantragte der Postexpediteur Christoph Hankeln eine Konzession zur Betreibung eines Gasthofs, die er 1838 erhielt. Damit war die Auflage verbunden, „Passagierstuben“ einzurichten mit Möbeln, Licht und Waschgelegenheit, im Hause selbst oder im Dorf. Somit wurden 1838 „Fremdenzimmer“ in Niedersfeld eingerichtet. 
Kurz zuvor, schon 1827, kann eine Dorfschänke im Hause Cramer bezeugt werden, die dann 1836, nach dem Bau der Ruhrtalstraße, zu einem Gasthof mit Fremdenverkehr ausgebaut wurde. 

Aus diesen Daten lässt sich ableiten, dass der Beginn des „Fremdenverkehrs“ um 1840 anzusetzen ist. Wir können also auf eine mehr als 160 Jahre alte Tradition der Gästebetreuung zurückblicken. Schriftliche Hinterlassenschaften und Dokumentation aus der Anfängerzeit des Fremdenverkehrs fehlen uns weitgehend. Aber aus mündlichen Überlieferungen ist bekannt, dass viele „Reiche und Vornehme“ aus den neu entstehenden Industriestädten ihre Sommerfrische im Sauerland und auch in Niedersfeld verbrachten. Im Gasthof Cramer kehrten öfters Fremden ein. 

Schon der Sauerlanddichter F.W. Grimme aus Assinghausen wanderte sehr viel und lässt unter anderem einen „Packenträger“ haarklein eine Mahlzeit beim „Cramer in Niedersfeld“ schildern. Später, mit der Eröffnung der Kleinbahn von Steinhelle nach Medebach 1902, kamen öfter Besucher und Prominente nach Niedersfeld zur Sommerfrische und zur Jagd. 
Anlässlich der Bahneröffnung und der Strecke Steinhelle-Winterberg durch das Negertal im Jahre 1906 ist noch die Speisenfolge des Festessens in der Schützenhalle Winterberg schriftlich erhalten, für die offensichtlich Werbung betrieben wurde. Reklame war auch damals schon wichtig. Und diese Werbung für Erholung im Sauerland findet der Leser von damals in vielen Zeitungen und Zeitschriften mit regionalem und überregionalem Charakter und Leserkreisen. Einige Werbeartikel liegen noch vor, insbesondere aus den Schriften des SGV. Gerade der SGV war ein wichtiger Werbeträger und Förderer des Fremdenverkehrs. Er übernahm dabei Funktonen eines Verkehrsvereins oder arbeitete eng mit diesem zusammen, sofern ein Verkehrsverein vor Ort existierte.

So ergeht für 1931 ein Schreiben „an die Hotels, Gasthöfe und Privatpensionen des Sauerlandes, Siegerlandes und Wittgenstein, die Sommerfrischler aufzunehmen.“ 
Als Musterzeichner dieses Anschreibens erscheinen der Sauerländische Gebirgsverein und der Westfälische Verkehrsverband. Wörtlich sei daraus unter anderem zitiert: „Das nunmehr seit 25 Jahren, zuletzt gemeinsam mit dem Sauerländischen Gebirgs-Verein und dem Westfälischen Verkehrsverband herausgegebene Sommerfrischeverzeichnis vom Sauerlande, Siegerlande und Wittgensteiner Land wurde 1930 mit über 17.000 Stück in Deutschland und Holland verbreitet“. 
Und an anderer Stelle geht es weiter mit: „Es sei noch darauf hingewiesen, dass 1931 infolge der wirtschaftlichen Lage nur noch wenige Gemeinden und Gasthöfe eigene Reklame machen können, dann aber auch, dass unsere Nachbargebiete gerade dieses Jahr sich besonders anstrengen, durch eine ähnliche Sammelreklame, wie wir sie seit Jahren machen, Besucher herüberzuziehen, endlich, dass der bessere Mittelstand voraussichtlich stärker als bisher im Land selbst Erholung suchen wird“. Im Schlusssatz wird dann umfassend erklärt: „Durch Aufnahme in unserem Sommerfrischenheft ersparen die meisten Sommerfrischen eigene, weit teuere Reklame, ermöglichen es dabei aber trotzdem, dass ihr Haus weit und breit bekannt wird“. 
Mindestens seit 1905 müssen demzufolge solche Verzeichnisse geführt worden sein, wie unschwer aus den vorgegebenen Daten abzuleiten ist. Ob und wieweit Niedersfeld schon 1905 in die Sommerfrische-Verzeichnisse aufgenommen war, lässt sich heute nicht mehr genau feststellen. Von einigen Gasthöfen ist es aber zu vermuten.
Als 1906 der Skiclub „Sauerland“ gegründet wurde, begann in Winterberg der „Zwei-Saison-Verkehr“, wovon auch Niederfeld profitierte, bedingt durch die günstige Verkehrsanbindung mit der Kleinbahn. Bis zum 1. Weltkrieg gab es schon einen regen Gästeverkehr, wie man es in den Chroniken von einzelnen Gasthäusern nachlesen kann. 
Den eigentlichen Aufschwung im Fremdenverkehr brachte jedoch die Verfassung von 1919, die auch den Werktätigen einen Anspruch auf Urlaub garantierte.

Nun erkannte man auch in Niedersfeld den wirtschaftlichen Faktor des Fremdenverkehrs und so wurde 1927 der Verkehrsverein Niedersfeld gegründet. Vorsitzender war Gemeindevorsteher Albrecht Cramer, Schriftführer Wilhelm Kretzer. Alfons Menke war ein weiteres Vorstands-Mitglied.

Dokumente hierüber liegen uns leider nicht mehr vor. Wir können dies alles nur noch aus dem teilweise noch vorhandenen Schriftverkehr nachvollziehen.

Wie lange der Verkehrsverein bestand, ist nicht mehr feststellbar. Unter Nazi-Herrschaft wurde alles staatlich gelenkt, private Initiative war nicht gefragt. Einen Teil der Funktionen des Verkehrsvereins übernahm der SGV.
Die „Kraft-durch-Freude“ Bewegung brachte eine neue Art der Gäste, den Vertragsurlauber. Reisegesellschaften kamen regelmäßig ins Dorf. In dieser Zeit entstanden die privaten Fremdenpensionen.

Die Betteninhaber bekamen 1 Mark pro Tag für ihre Quartiere und die Verpflegung wurde zentral in einem Gasthof abgewickelt. Ein großer Förderer des Gästetourismus für das Dorf vor und nach dem 2. Weltkrieg war der Gastwirt und Pensionsinhaber Josef Tebbe.

Nach der Währungsreform 1948 erinnerte man sich, genau wie in den wirtschaftlich schlechten Jahren 1928/29, an den ertragreichen Fremdenverkehr, und der Verkehrsverein wurde wieder ins Leben gerufen mit Dr. Borcherding (Arzt) als Vorsitzenden. Ihm folgten dann Willi Geilen und Paul Jacobs, bis 1967 unter dem Vorsitz von Dieter Cramer der Verein eine Satzung bekam und seit dem 29. Juni 1967 als eingetragener Verein fungiert.

Auffällig ist, dass besonders in den 50er Jahren sehr viele Omnibus-Betriebe und Reisedienste zwecks Erholungsfahrten, Tagestouren, Skiwochenenden, aber auch wegen Ferienangeboten beim Verkehrsverein anfragten.
Es war die Zeit der beginnenden Reisewelle, und die Reiseunternehmen suchten von sich aus noch günstige Ferienziele. Man reiste mehr mit Bus und Bahn, weil viele Familien sich noch keinen PKW leisten konnten.

 

Mindestens schon 1952 muss der Verkehrsverein der Fremdenverkehrsgemeinschaft Hochsauerland angehört haben. Hauptziel war dabei natürlich eine überregionale „Fremdenwerbung“.
Parallel dazu gehörte der Verein seit 1929 auch dem Landesverkehrsverband Westfalen an. Dieser brachte schon 1952/53 ein Unterkunftsverzeichnis in einer Auflage von 25.000 Stück heraus.

Die Werbung in diesen Jahren war bereits beachtlich. Schon am 9.1.1952 ergeht zum Beispiel ein Antwortschreiben der Westfalenpost an den hiesigen Verkehrsverein, das Antwort gibt auf den Brief vom 4.1.1952:“in welchem Sie uns den Vorschlag machen, bei unseren geplanten Fahrten ins Hochsauerland auch Ihren Ort zu berücksichtigen“.
Aber auch innerhalb des Ortes arbeitete der Verkehrsverein wirkungsvoll für den Fremdenverkehr und unterstützte die Bemühungen um die Verschönerung des Dorfbildes.

So werden z.B. dem Gemeinderat 1953 unter anderem folgende Anträge des Verkehrsvereins zur Beschlussfassung vorgelegt:

1. „Kostenlose Überlassung von 2 fm Holz (Schneebruch“ für die Herstellung von Bänken.
2. Baldige Instandsetzung des Schwimmbades.
3. Baldige Instandsetzung des alten Schützenplatzes (Anpflanzungen, Bänke, Wege usw.)“.

Aktivitäten waren gefragt, wenn etwas erreicht werden sollte. Das ist auch noch heute so.

Im Sommer 1951, „weilten hier durchschnittlich ständig 250 Gäste“, so der Verkehrsvereinsvorsitzende Dr. Borcherding in einem Schreiben an die Oberpostdirektion Dortmund.
Der Schriftverkehr aus diesen Jahren liegt noch vor.
Hunderte von Anfragen pro Jahr, meist über Postkarten, spiegeln den Wunsch nach Urlaub wieder. Oft sehr kurz gehaltene Anfragen wie „Erbitte Prospektzusendung“ und ähnliche Einzeiler.
Aber auch heute fast lustig anmutende Nachfragen. Ein Film-Theaterbesitzer schreibt 1952: „Ich suche Ruhe und Erholung und neue Spannkraft für meinen Betrieb. Bitte teilen Sie mir mit, wo ich eventuell Januar/Februar des kommenden Jahres für diese Zwecke einige Zeit behaglich unterkommen kann.... Es genügte mir vollauf, eben nur, um mich im Freien zu bewegen und um Ablenkung zu finden, Raubzeug abschießen zu dürfen“.

Diese Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit der damaligen Zeit wird noch einmal gezeigt in einer Anfrage nach Zimmern 1953: „Ich möchte daher einmal anfragen... ein Zimmer- mit drei Betten vermieten wollen, wo auch die Möglichkeit besteht, sich mittags einmal selbst zu kochen. Wir legen keinen Wert auf fließendes Wasser im Zimmer oder irgend welchen Luxus, würden aber gern bei freundlichen, sauberen Leuten unterkommen, gern auch bei Bauern“.

Auffällig bleibt auch, dass damals viele Firmen und Betriebe Anfragen nach Urlaub einholten für ihre Betriebsangehörigen. Ein anderes Beispiel: Für 1953 bieten die Städtischen Bühnen Oberhausen ca. 6-8 Theateraufführungen an, die für die 8-9 Schauspieler mit einem Urlaub verbunden sein sollen. Noch melden sich viele Urlauber von allein und fragen nach günstigen Quartieren.

Nach dem 2. Weltkrieg änderte sich die Struktur des Dorfes gänzlich.
Der Hausierhandel und die Landwirtschaft, früher die Haupterwerbsquellen, gingen zurück. Der Gemeinderat, der damals noch selbständigen Gemeinde Niedersfeld, suchte nach neuen Erwerbsquellen und so kamen, neben einigen Industriebetrieben, die Heime nach Niedersfeld, wohl die beste Werbung für einen Ferienort. Das Kinderheim der Stadt Essen wurde bald nach der Währungsreform geplant und in den 50er Jahren errichtet. Ihm folgten das Erholungsheim der Harpener Bergbau AG und der ÖTV (Anfang der 60er Jahre), sowie das Wanderheim des SGV (1963). Viele weitere Betriebe hatten Verträge mit Niedersfeld. Auch das äußere Erscheinungsbild des Dorfes änderte sich. Die Gestaltung und Pflege des Ortsbildes war oberstes Gebot. Einrichtungen wie Mehrzweckhalle, Skilifte, Wanderwege und vieles mehr, nutzten sowohl dem Fremdenverkehr als sie auch den Wohnwert im Ort erhöhten.

Aber schon Jahre später, vor allem in den Siebzigern, wendete sich das Blatt, und der Niedersfelder Verkehrsverein suchte nun selbst verstärkt wieder nach neuen Gästen. Reisebüros und Touristikunternehmen wurden kontaktiert. Wer erinnert sich nicht noch gern der Herbstfeste mit den „Duisburgern“? Schon ca.
5.000 DM wurden im Schnitt pro Jahr für Werbung ausgegeben. Neue Gäste zu werben war schwer.

Die Deutschen reisten verstärkt in den Süden. Sonne und gutes Wetter waren gefragt. Was war dagegen zu tun?
Durch die kommunale Neugliederung 1975 wurde die Gemeinde Niedersfeld der neuen Großgemeinde Winterberg zugeordnet. Laut Gebietsänderungsvertrag war die Stadt Winterberg zur weiteren Förderung des Fremdenverkehrs, sowie zur Einrichtung eines Verkehrsbüros verpflichtet. Nach intensiven Verhandlungen des damaligen Vorstandes des Verkehrsvereins mit der Stadt Winterberg wurde ein Entschädigungsvertrag geschlossen: Der Verkehrsverein richtet das Büro ein und übernimmt vertraglich festgelegte Aufgaben der Stadt beziehungsweise Kurverwaltung. Die Stadt zahlt einen Zuschuss, gekoppelt an die gemeldeten Übernachtungszahlen, und die Fremdenverkehrsabgabe bleibt im Dorf. Somit behielt Niedersfeld wenigstens ein Stück Selbständigkeit.

Bereits anlässlich der Generalversammlung am 4.5.1983 wurde ein „kritisches Papier“ an die Mitglieder geleitet mit dem Eingangssatz: „Bringt der Zeitgeist diesen Verein an den Rand des Überlebens“? Darin wird unter anderem beklagt: „ Unser Ort hat nicht nur mit dem allgemeinen Rücklauf der Übernachtungszahlen ein schwerwiegendes Problem zu lösen, sondern darüber hinaus einen erheblichen Verlust an Übernachtungen durch den Bau von Zweitwohnungen zu verzeichnen. Viele Stammgäste haben eines dieser Objekte gekauft oder langfristig gemietet“. Wieweit die massive Erstellung von Zweit- und Ferienwohnungen für die Gemeinde förderlich war, bleibt umstritten. Für den eigentlichen Fremdenverkehr war dieser Trend sicherlich nicht positiv und steht in keinem Verhältnis zu dem Engagement und Einsatz des Verkehrsvereins und seiner ehrenamtlichen Helfer.

Man versuchte mit neuen Angeboten für die Gäste diesem Trend zu begegnen. Einige Beispiele davon in Kürze: Feriensportpaß, Verleih von Touren-Fahrrädern, Trimm-Trab-Angebot, Freizeitangebot am Hillebachsee, Tischtennisplatte am Minigolfplatz, neue Wanderkarte, neue Bänke und Blumenkübel an der Ruhrstraße, Einrichtung der Heimatstube u.a.m.
Die Aktivitäten des Verkehrsvereins sind bis heute groß geblieben.
Einfallsreichtum, Ideen und Originalität sind in Zukunft genau so gefragt wie die Bereitschaft unserer Bürger, die Gäste freundlichen und wohlwollend in unserer Gemeinde aufzunehmen. Mit Naturschönheiten und der herrlichen Landschaft können wir werben, unser Wohlwollen aber müssen wir persönlich einbringen. 
Text aus „65 Jahre Verkehrsverein“ (1992); Literaturangabe: Akten des Verkehrsvereins, 150 Jahre Gasthof Cramer (1977): Erinnerungen-100 Jahre SGV Niedersfeld; mündliche Hinweise von Hugo Hankeln und Katharina Trippen;
Gestaltung und Text: Vera Altenbeck und Dr. Werner Herold

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